Es gibt Momente, in denen der Körper aufhört – aber der Kopf läuft weiter.
Du sitzt auf dem Sofa.
Der Tag ist vorbei.
Der Kalender ist zu.
Aber innerlich ist es, als würde jemand die ganze Zeit leise gegen eine Tür klopfen.
Ein Geräusch, das du spürst, aber nicht greifen kannst.
Viele Menschen glauben, dieses Gefühl käme von „zu viel Stress“.
In Wahrheit ist es oft das Gegenteil: Ein Nervensystem, das verlernt hat, in den Ruhezustand zu wechseln.
Und genau darum geht es:
Nicht abschalten zu können ist kein Mangel an Willenskraft.
Es ist ein Zustand.
Warum Abschalten ein körperlicher Prozess ist – kein mentaler
Die meisten denken:
„Ich muss mich entspannen.“
„Ich muss loslassen.“
„Ich muss runterkommen.“
Doch Abschalten passiert nicht durch Denken.
Es ist ein physiologischer Ablauf, der vom Nervensystem gesteuert wird.
Die beiden Hauptsysteme:
Sympathikus
→ Aktivierung, Leistung, Fokus, Kampf-oder-Flucht
→ das System, das den Tag kontrolliert
Parasympathikus
→ Ruhe, Regeneration, Verlangsamung
→ das System, das die Nacht kontrolliert
Abschalten bedeutet:
Der Parasympathikus muss übernehmen.
Und genau hier steckt das Problem:
Bei vielen Menschen ist dieser Wechsel blockiert.
Der Hauptgrund: du bist den ganzen Tag „an“
Nicht abschalten zu können entsteht selten am Abend.
Es entsteht über den Tag hinweg.
Der Körper wechselt in den sympathischen Zustand durch:
- ständige Reize
- Social Media
- Dopaminspitzen
- schnelle Entscheidungen
- Multitasking
- kurze, flache Atmung
- permanente Lichtimpulse
- Konflikte
- zu wenig Pausen
- zu wenig Bewegung
- unklare Grenzen
- hohe mentale Geschwindigkeit
Die meisten modernen Tage bestehen fast ausschließlich aus Sympathikus-Phasen.
Das heißt:
Der Körper bleibt im „An-Modus“.
Und dieser Modus wird abends nicht plötzlich abgeschaltet – er muss heruntergefahren werden.
Wenn du den ganzen Tag Vollgas gibst, kommt dein System nicht um 20 Uhr in Ruhe, nur weil du es möchtest.
Ein Nervensystem hat keine Uhr.
Es hat Muster.
Warum viele Menschen Ruhe mit Leere verwechseln
Ein faszinierender Mechanismus:
Wenn das Nervensystem überlastet ist, fühlt sich Ruhe wie Leere an.
Man setzt sich hin – und plötzlich kommen Gedanken.
Fragen.
Unruhe.
Ziehen im Brustkorb.
Ein kleiner Druck im Kopf.
Das Gefühl, „Ich müsste doch irgendwas tun…“.
Das ist kein Unvermögen.
Das ist Nervensystemphysiologie.
Der Körper ist so daran gewöhnt, „an“ zu sein, dass Ruhe wie ein Fehler wirkt.
Der biochemische Grund: Nervensystem und Dopamin
Ein starker Faktor: Das Gehirn ist an eine hohe Stimulationsrate gewöhnt.
Scrolling.
Schnelle Clips.
Benachrichtigungen.
Mikro-Belohnungen.
Je höher die tägliche Dopamin-Rhythmik, desto schwerer fällt Abschalten, weil der Körper im Leerlauf weniger Dopamin ausschüttet.
Er sucht die nächste Stimulation – nicht aus Langeweile, sondern aus Gewohnheit.
Abschalten bedeutet also auch:
Der Körper muss lernen, wieder mit niedrigerer Stimulation zufrieden zu sein.
Warum man abends oft „komisch“ müde ist
Viele Menschen denken, Müdigkeit sei ein Zeichen von Ruhe.
Das stimmt nicht.
Es gibt zwei Arten von Müdigkeit:
1. Ruhige Müdigkeit
→ der Körper ist bereit
→ der Puls sinkt
→ die Atmung wird tiefer
→ der Parasympathikus übernimmt
→ du wirst klar und langsam
2. erschöpfte Müdigkeit
→ du bist müde, aber aufgewühlt
→ du bist erschöpft, aber innerlich schnell
→ du kannst kaum still sitzen
→ Gedanken laufen weiter
Erschöpfte Müdigkeit ist ein Zeichen eines überlasteten Systems.
Man schläft dann oft ein – aber nicht gut.
Wie man wieder lernen kann, abzuschalten
Es gibt keine Abkürzung.
Aber es gibt Mechanismen, die wirken, weil sie physiologisch sinnvoll sind.
1. Die Goldene Stunde
1 Stunde ohne Bildschirm.
Warm duschen.
Warmes Licht.
Leichte Dehnung.
Trinken.
Lesen.
Du bringst dein Nervensystem in einen Musterwechsel.
2. LIT 10–20 Minuten täglich
Ruhige Bewegung bringt den Parasympathikus zurück.
Es ist wie ein Reset.
3. Ruhige Atmung
4 Sekunden ein
6 Sekunden aus
5 Minuten
→ Herzschlag runter
→ Sympathikus runter
→ Parasympathikus hoch
4. Weniger Dopamin am Abend
Kein Scrollen.
Keine Nachrichten.
Keine Reizflut.
Der Körper beruhigt sich in Abwesenheit von Stimulation.
5. Kleine Pausen über den Tag verteilt
Nicht 8 Stunden Gas und dann Ruhe.
Mehrere kurze neurophysiologische Breaks.
Das Nervensystem liebt Muster – nicht Ausnahmen.
Schlussgedanke
Du kannst nicht abschalten, weil du es willst.
Du schaltest ab, weil dein Nervensystem die Bedingungen bekommt, die es dafür braucht.
Abschalten ist kein mentaler Akt.
Es ist ein körperlicher Zustand.
Und wenn du ihn wieder erreichst, merkst du:
Ruhe ist kein Luxus.
Ruhe ist ein biologischer Grundbaustein.


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